Jenseits der Donnerkuppel
Sonntag, 4:28 Uhr:
Der Houdini der Mücken hat es mal wieder geschafft hat, mit einem meisterhaften Trick durch das Moskitonetz in meinen Schlafbereich einzudringen. An Schlaf ist nicht zu denken – ich gebe entnervt auf. Das Scheiß-Vieh trägt obendrein auch noch nen Tarnmantel! Selbst mit Adleraugen ist es nicht zu entdecken. Liegen bleiben, geduldig lauschen und das Atmen einstellen! Jeder weitere Landeanflug auf meinem Gesicht konnte mit scharfen Backpfeifensalven vereitelt werden. Keine von ihnen traf jedoch das wahre Ziel. Meine kläglichen Versuche, das Mistvieh zu killen, wurden lediglich mit einem hämisch schrillen Lachen des Insekts quittiert. Mücken können furchtbar schadenfroh sein!
Mit gut durchbluteter Gesichtshaut verlasse ich nun hellwach mein Schlafzimmer. Zwei Terrier Damen begrüßen mich noch schlaftrunken und mit großem Fragezeichen im Blick auf dem Flur. Missmutig schlurfe ich an ihnen vorbei in die Küche. Ich koche mir einen Kaffee. Gedanklich begebe ich mich auf die Suche nach Anthrax. Irgendwo in meinem Keller müsste auch noch eine kleine Atombombe lagern…
Vor dem Einsatz größerer Geschütze fahre ich im Bad meinen Puls auf Normalfrequenz herunter. Vor Beginn einer großen Schlacht heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die roten Fingerabdrücke im Gesicht kühle ich unter fließendem Wasser und stoße mir die Stirn am Wasserhahn. Leise fluche ich vor mich hin.
In der Küche faucht die Kaffeemaschine blubbernd eine ihrer morgendlichen Ouvertüren. Der Duft von frischem Kaffee stimmt mich ein wenig milder. Ich balanciere den viel zu vollen Becher mit dem versöhnlichen Heißgetränk aus der Küche Richtung Wohnzimmertisch.
Zwei Mann geh’n rein, ein Mann geht raus!
Auf halbem Weg empfängt mich die durchgedrehte daumengroße Hornisse im Sturzflug, die neuerdings gern bei mir wohnen möchte. Reflexartig zuckend hebe ich die Arme, um die Angreiferin abzuwehren. Die heiße, braune Brühe ergießt sich über meine nackten Füße. Was folgt sind weitere nicht für Kinderohren geeignete Flüche und ein Veitstanz.
Zwei Terrier verlassen erschrocken fluchtartig das verbotene Sofa. Sie machen es sich in ihren Körbchen bequem und verfolgen interessiert den unterhaltsamen Ausdruckstanz zwischen Hornisse und mir. Terrierdamen sind ein wirklich dankbares Publikum. Wären Punktrichter anwesend, so wären wir mit diesem Contemporary ganz klar Nummer Eins der Weltrangliste. Die Hundedamen begleiten unseren Tanz lautstark mit jubelnden Standing Ovations – sie würden am liebsten mitmischen…
Während der gesamten Performance schreit mir die sichtlich empörte Hornisse brummend entgegen: „Du kommst hier nich rein“. Mit weiteren Sturzflug-Attacken scheint sie mir klar machen zu wollen, dass sie mich als geeignete Tanzpartnerin nicht akzeptieren würde. Widerstand ist zwecklos, mein Wohnzimmer wird okkupiert. Denkste Hornisse!
And the winner is…
Ich habe Lady Hornet bereits vorgestern sowie gestern Abend unter Einsatz meines Lebens an die frische Luft befördert. Lebend! Dem Dreckstück scheint das egal zu sein. Heimlich still und leise hat sie sich heute Nacht erneut auf eine Mission begeben und ist mit ihrer Schrankwand bei mir eingezogen. Und nun macht sie einen auf dicke Hose? So weit kommt’s noch!
Gut Baby, wir diskutieren das aus! Mein Wohnzimmer wird jetzt zum Thunderdome – ganz nach dem Motto des Films Jenseits der Donnerkuppel. Die einzige Regel lautet: „Zwei Mann geh’n rein, ein Mann geht raus!“
Draußen am Terrassenfenster sitzt der Kater mit einer noch zuckenden Maus im Maul und beobachtet das mörderische Geschehen. Stolz präsentiert er mit seinem typischen Siegesgeschrei die fette Beute, als ich die tote Hornisse an ihm vorbei zu Grabe trage. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, aufdringliche Insekten den Tod.
Nee wirklich, ich liebe Sonntage, die so beginnen!